Jüdisches Leben ist seit Jahrhunderten und spätestens mit dem Salon von Rahel Varnhagen und dem Wirken Moses Mendelssohns eng mit der Stadt Berlin verbunden. Wie wir in der Hauptstadt am besten wissen, sind die Schicksale auf gute und auf schlimme Weise miteinander verwoben.
Nationalistische Tendenzen waren in der deutschen Bevölkerung immer spürbar, und sind es heute wahrscheinlich wieder mehr denn je seit den 1950er Jahren, auch Antisemitismus aus verschiedenen Richtungen ist unterschwellig und teilweise auch offen wieder Thema. Zum Beispiel an Berliner Schulen.
Das Team des Deutsch-Jüdischen Theater möchte einen Beitrag zum Austausch zwischen den Kulturen leisten, vor allem den (erinnerungspolitischen) christlich-jüdischen Dialog mit – und ausgestalten.
Wenige nicht-jüdische Mitbürger kommen in einen direkten Kontakt mit der jüdischen Kultur. Diese ist etwas, was man i.d.R. aus dem Fernsehen kennt, wenn es um einen Film oder eine Dokumentation aus der NS-Zeit oder eine Gedenkfeier zum Holocaust geht. Meistens bleibt die Kenntnis des Judentums auf die staatlich verordnete Erinnerungskultur beschränkt und damit oft ohne echtes Verstehen und Nachhaltigkeit. Bei uns im Theater ist die Möglichkeit gegeben, ein Stück jüdische oder deutsch-jüdische Kultur wirklich zu erfahren, nicht nur intellektuell, sondern auch sinnlich. Identifikation und Verstehen gehen eng zusammen, der Weg hin zur gegenseitigen Verständigung ist eine mögliche und schlüssige Folge.
Die Aufgabe des DJT soll darin bestehen, die Vielfalt der jüdischen Kultur und des deutsch-jüdischen Erbes nach außen zu tragen, um so präventiv und aktiv gegen alle Formen von Antisemitismus und Homophobie vorzugehen.
Außerdem: die Zeitzeugen sterben langsam aus. Wer wird die Geschichte der deutsch-jüdischen Kultur im Berlin der 20er und 30er Jahre erzählen? Und die von den Jahrhunderten davor?
Wer wird die Geschichte des größten Verbrechens, das Menschen an der Menschheit und Menschlichkeit begangen haben, erzählen?
Für uns gilt es, die Geschichte in jeder Hinsicht lebendig zu halten, zu erinnern und die über Jahrhunderte entstandenen Gemeinsamkeiten von deutsch-jüdischem Leben herauszuarbeiten, zu zeigen, dass deutsch-jüdische Kultur keine Worthülse ist, sondern reales Leben.
Rahel Varnhagen, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Kurt Tucholsky, Friedrich Hollaender, Else Lasker-Schüler – sie alle waren Deutsche und Juden.
Berlin ist in den letzten Jahren zum Sehnsuchtsort auch vieler junger Israelis geworden, die aus der geographischen Enge ihres Staates ausbrechen und oft auch zu ihren Wurzeln aufbrechen wollen.
Diese jungen Leute sind hoffnungsvolle 20 Jahre alt, genau wie ihre Vorfahren, die jungen Künstler der 20er und 30er, die in Berlin das kulturelle Leben bestimmt haben.
Unsere Aufgabe ist es auch, diesen Neuankömmlingen etwas über ihre (geistigen) Vorväter und -mütter zu erzählen, ihnen zu zeigen, wie das Leben vor der großen Zäsur aussah, und wie es wieder aussehen könnte.
Das DJT soll zum Sinnbild für die Offenheit, die kulturelle Vielfalt und die Modernität der deutschen Hauptstadt werden.
Gespielt wird jeweils 2 Wochen im Monat. Geplant sind u.a. neue Stücke wie „Benjamin-Wohin?“ von Hermann Sinsheimer, in einer ersten szenischen Aufführung seit der UA 1938 im Jüdischen Kulturbund oder „Dibbuk-Besessen“ nach Salomon An-Ski, ein traditionelles jüdisches Motiv erlebt die Verbindung mit der Aktualität von 2018. Außerdem wird eine theatereigene Textfassung von „Anne Frank“ mit der Genehmigung des Anne-Frank-Fonds in Basel gespielt, sowie Stücke junger israelischer Autoren.